Theodor Hubert Maria Richartz (1819-1900)
und die Pfarre Oberaußem am Ende des 19. Jahrhunderts

von Dr. Heinz Braschoß

Der Vortrag von Dr. Heinz Braschoß wurde anläßlich dem 100. Todestages von Pfarrer Theodor Richartz am 29. April 2000 in Oberaußem vorgetragen. Der Inhalt dieser Seite entspricht dem Heft „Veröffentlichungengen der kath. Pfarrgemeinde St. Vinzentius, Oberaußem“ (Ausgabe Juni 2000).

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Liebe Leserin, lieber Leser!

Sie halten im Juni 2000 die erste Ausgabe der „Veröffentlichungen der kath. Pfarrgemeinde St. Vinzentius, Oberaußem“ in Händen. Das christliche Jubiläumsjahr 2000 gibt in vielerlei Hinsicht Anlaß, einen Blick in die Vergangenheit zu werfen.

So schaut auch die Oberaußemer Pfarrgemeinde zurück und gedenkt eines Mannes, dem unser heutiges Gotteshaus zu verdanken ist. Am 19. April 1900 verstarb Pfarrer Theodor Richartz, der 37 Jahre Pastor in Oberaußem war und in den Jahren 1878 – 1881 die heutige Pfarrkirche errichtet hat.

Die Pfarrgemeinde St. Vinzentius hat am 29. April 2000 anlaßlich des 100. Todestages von Theodor Richartz ihrem ehemaligen Pastor mit einem Gottesdienst (Eucharistiefeier) für dieses Gotteshaus gedankt. Gleichzeitig hat die Kirchengemeinde den Gedenkstein für Pfarrer Richartz restaurieren lassen und ihm auf dem neugestalteten Kirchvorplatz einen würdigen Aufstellungsort gegeben.

Nach diesem Gottesdienst hielt Herr Dr. Braschoß im Pfarrheim einen Vortrag zu dem Thema „Theodor Hubert Maria Richartz (1819-1900) und die Pfarre Oberaußem am Ende des 19. Jahrhunderts“, der nun hiermit als Broschüre vorliegt. Für den Vortrag und für die Broschüre sei Herrn Dr. Braschoß an dieser Stelle herzlichst gedankt. Ein weiterer Dank gilt nicht zuletzt dem Diözesanarchiv in Köln, dem Fotostudio Haag, der Druckerei Lipp-Breuer und dem Oberaußemer Pfarrbüro.

Abschließend wünschen wir allen viel Freude beim Lesen dieser Sonderveröffentlichung, der hoffentlich noch weitere folgen werden.

Oberaußem, im Juni 2000

Achim Brennecke, Pfarrer

Die Jugend

Am 26. Juli 1819 erschien vor dem Beigeordneten der Stadt Köln, Franz Rudolph v. Monschau, der 42 Jahre alte Rentner Hubert Wilhelm Franz Xaver Richartz, zeigte ihm ein männliches Kind vor und gab zu Protokoll daß dieses K ind von seiner Ehefrau, Maria Magdalena, geb. Schmitz, am 24. Juli in der Wohnung Schildergasse Nr. 36 geboren worden sei. Zur Bekräftigung der Aussage hatte Richartz zwei Zeugen mitgebracht, den Schneider Wilhelm Kirchbaum und den Bäcker Anton Rick.1

Als Rentner wurde im 19. Jahrhundert ein Mann bezeichnet, der ohne Arbeitsleistung von seinem Vermögen lebte. Das läßt auf günstige Vermögensverhältnisse der Familie schließen. 1821 wurde ein jüngerer Bruder Theodors geboren, Jakob Tilmann. Auch er wurde Geistlicher. Theodor Richartz war ein Neffe des Leder-Großkaufmannes Johann Heinrich Richartz. Johann Heinrich ermöglichte durch eine Stiftung von 100.000 Talern 1854 den Bau eines Museums für die Kunstwerke, die Ferdinand Wallraff in der Zeit der Franzosenherrschaft gesammelt hatte. Durch die Stiftung und den Museumsbau ist der Name Richartz der Nachwelt erhalten geblieben: „Wallraff- Richartz-Museum“.

Als Theodor Richartz geboren wurde, lag die Stadt Köln noch im Kranz ihrer mittelalterlichen Mauern. In dem engen Bereich der Stadt mochten ca. 50.000 Menschen leben. Die französische Herrschaft (1794-1814) hatte Köln aus der wirtschaftlichen Erstarrung gelöst, in die es in den Jahrhunderten nach der Entdeckung der Neuen Welt verfallen war. Die Franzosen hatten eine moderne Gesetzgebung eingeführt, aber auch die Zivilehe und die Führung der Zivilstandsbücher, samt der Prozedur bei der Anmeldung einer Geburt.

In den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts gab es in Köln nur ein Gymnasium (vor der französischen Besetzung waren es drei gewesen). Es war das Marzellengymnasium. Zwar wurde 1828 das Friedrich- Wilhelm-Gymnasium gegründet, sein Besuch war aber evangelischen Kindern vorbehalten. Wir können also davon ausgehen, daß Theodor das „Marzellengymnasium“ besuchte. Er studierte zunächst an der Philosophisch-Theologischen Lehranstalt in Münster. (Sie wird in einem Lied, das beim 50-jahrigen Priesterjubiläum von Theodor Richartz gesungen wird, als „Akademie“ bezeichnet. Doch diese Benennung erhielt sie erst 1843, in dem Weihejahr von Richartz). An das Studium in Münster muß sich ein Studium in Bonn angeschlossen haben, da der Besuch dieser Universität für Priesteramtskandidaten aus dem Erzbistum Köln vorgeschrieben war. Auf das Studium folgte die Vorbereitung auf die Weihe in dem Priesterseminar in Köln (heute Generalvikariat).

Am 17. September 1843 wurde er zum Priester geweiht.2 Damals wurde die Erzdiözese Köln von dem Koadjutor Johannes v. Geissel geleitet. Johannes v. Geissel war vorher Bischof von Speyer gewesen. Durch Vermittlung des Königs Ludwig I. von Bayern wurde er als Nachfolger des seit 1837 nicht mehr amtierenden Erzbischofes Clemens August eingesetzt. Er konnte aber erst nach dem Tode seines Vorgängers 1845 Erzbischof werden. Geissel führte ab 1850 in seinem Erzbistum wieder Volksmissionen ein. Diese waren im 17. und 18. Jahrhundert in allen Pfarreien abgehalten worden, wurden aber zur Zeit der französischen Herrschaft unterdrückt und nach der Angliederung an Preußen nicht mehr aufgenommen. Theodor Richartz hat später in seinen Pfarrgemeinden vielfach Volksmissionen abhalten lassen. Ich nehme an, daß er von der Religiösität des Erzbischofes (ab 1850 Kardinal) von Geissel geprägt worden ist.

Kaplan am Niederrhein und Pastor in der Voreifel

12 Jahre dauerte im 19. Jahrhundert die Zeit, in der der junge Geistliche als Kaplan in seinen Beruf eingeführt wurde. Theodor Richartz hatte beide „Kaplanstellen“ am Niederrhein, zuerst von 1843-1851 in dem kleinen Ort Neersen und dann von 1851 bis 1855 in Viersen.3

1855 wurde Theodor Richartz Pastor in Schwerfen, nahe bei Zülpich.4 Schwerfen hatte damals zusammen mit den Weilern Irnich und Vernich ca. 770 Seelen.5 Schon 1857 führte Richartz in Schwerfen eine Volksmission durch. Ihr sichtbares Ergebnis war die Gründung einer „Bruderschaft vom unbefleckten Herzen Mariä“. Fünf Jahre später wurde die Mission erneuert.6

Der neue Pfarrer von Oberaußem wird mit einer Mission betraut

Am 14. April 1863 wurde Richartz zum Pfarrer in Oberaußem in der Bürgermeisterei Paffendorf, im Kreis Bergheim, ernannt.7 Oberaußem hatte nach der Volkszählung von 1861 mit dem Gut Asperschlag 977 Einwohner. Seit dem Beginn der preußischen Herrschaft im Jahre 1815 war die Zahl der Einwohner um ca. 300 gestiegen. Die kleine Kirche konnte die Gläubigen kaum fassen, wenn sie ihre Pflicht zum sonntäglichen Besuch der heiligen Messe erfüllten. Schon zur Zeit des Pastors Berg (1844-1863) waren Überlegungen zum Bau einer neuen Kirche angestellt worden.8

Als Theodor Richartz in das von Berg erbaute Pfarrhaus einzog und die Kirche „in Besitz nahm“, wurde ihm von den Gläubigen aufgetragen, eine neue Kirche zu bauen.9 Mit 44 Jahren war Richartz in dem richtigen Alter, um diese Mission zu erfüllen. Er konnte kaum daran denken, daß bis zur Erfüllung der Aufgabe fast 20 Jahre vergehen würden. 1864 spendete der neue Pfarrer die ersten hundert Taler für den Neubau.10

1866 wurde eine Subskription auferlegt. Die Pfarrangehörigen versprachen durch Eintragung in eine Liste, daß Sie 8.000 Taler zahlen würden. So konnte der Definitor, Pfarrer Gröbbels von Bergheim, den Eindruck gewinnen, daß es nur noch um den Standort der neuen Kirche gehe und der Bau bald beginnen könne.

Zu dem Standort hatte Gröbbels eine feste Meinung: „Der jetzige Platz, ein hoher, steiler, im Winter unzugänglicher Berg außerhalb des Dorfes darf zu dem Neubau nicht genommen werden“.11

Oberaußemer sammeln in der Erzdiözese für den Kirchenbau

Die Sammlung in Oberaußem hatte erstaunenswerte Ergebnisse erbracht. Man muß ja daran denken, daß Oberaußem um das Jahr 1870 noch ein ländlicher Ort war, in dem Tagelöhner und Landwirte lebten, die meisten von ihnen in beschränkten finanziellen Verhältnissen. Als zu Anfang der 1860-er Jahre die neue Kirche in (Bergheim-) Glessen gebaut wurde, war in der ganzen Erzdiözese gesammelt worden. Die Hauskollekte hatte fast 4.000 12 Taler eingebracht.

Dem Beispiel von Glessen folgend, beantragte Pastor Richartz 1868 bei der staatlichen Behörde die Genehmigung zur Durchführung einer Sammlung in den Teilen der Rheinprovinz, die zum Erzbistum Köln gehörten. Am 2 Dezember 1868 teilte Landrat Birk ihm mit, daß die Königliche Regierung in Köln den Antrag befürworten werde, sobald auch der Erzbischof die Kollekte bewilligt habe.

Im Pfarrarchiv Oberaußem befindet sich ein kleines Büchlein, das auf den Namen des Sammlers Bernhard Hoven ausgestellt ist. Auf der ersten Seite bescheinigte der Bürgermeister von Paffendorf, Wilhelm Becker, daß der Oberpräsident der Rheinprovinz die Haussammlung für die Teile der Provinz, die zum Erzbistum Köln gehörten, genehmigt habe. Er wies Hoven als Sammler für den Kreis Erkelenz aus.13

Hoven begann im Juni 1869 mit der Sammeltätigkeit in dem Dorf Hilfarth. Dort legte er dem Pfarrer ein Schreiben des Pfarrers Richartz mit der Bitte um Hilfe für den Bau der neuen Kirche vor. Ein weiteres Schreiben war wahrscheinlich als Dank an die Spender gedacht.

Wenn Hoven mit der Sammlung fertig war, mußte er den Ertrag von dem Ortsvorsteher oder einem sonstigen Vertreter der Gemeinde quittieren lassen. Am 19. Juni setzte Hoven die Sammlung fort. Dann trat eine Pause ein, die wohl durch die Erntearbeiten verursacht wurde. Die letzte Eintragung stammt vom 13. November 1869. In Wegberg brachte Hoven 7 Taler, 10 Silbergroschen und 9 Pfennige zusammen. 1869 lag Oberaußem noch weitab von den neuen Bahnlinien Köln-Aachen und Düren-Neuss. Wie kam er in den Kreis Erkelenz? Hat er Zehrgeld und Geld für die Übernachtung bekommen? Jedenfalls hat er einige Opfer für den Bau der Kirche gebracht.

Der Pfarrer Richartz war auch „Lokal-Schulinspektor“

In den Jahren um 1865 standen die Bewohner des kleinen Dorfes Oberaußem vor der Notwendigkeit, eine größere Kirche und eine neue Schule bauen zu müssen. Längst waren die Zeiten vorüber, in denen viele Kinder die Schule nur im Winter besuchten, im Sommer aber den Eltern bei den Erntearbeiten halfen. 1868/69 gab es ca. 130 Schulkinder. Sie wurden von einem Lehrer und 2 Lehrerinnen unterrichtet. Dabei gab es drei Klassen, eine Jungenklasse und eine Mädchenklasse, sowie eine „gemischte Klasse“. Die dritte Lehrerin wurde erst 1868 angestellt. Unterrichtsfächer waren Religion, vaterländische Geschichte mit Geographie, gemeinnützige Kenntnisse aus der Natur- und Menschenwelt, Rechnen mit Geometrie, die deutsche Sprache mit ihren Fertigkeiten, Zeichnen, Singen und Leibesübungen 14 (Ob alle Fächer an jeder Schule erteilt wurden, sei dahingestellt).

Die Schulen waren Einrichtungen des preußischen Staates. Aber ihr Bau und die Unterhaltung oblagen den Gemeinden. 1868 baute die Gemeinde Oberaußem eine neue „Elementarschule“ an der heutigen Vinzentiusstraße. 15 Nach dem damaligen Recht war der örtliche Pfarrer „Orts-Schulinspektor“. Er wachte darüber, daß die Lehrpläne eingehalten wurden. Nur während des Kulturkampfes wurde die Befugnis den Bürgermeistern übertragen. Pastor Richartz erteilte selbst den Unterricht im Katechismus und in „biblischer Geschichte“.

Kirchenbau auf dem Tonnenberg oder in „Geuers Garten“?

Der Kölner Architekt August Carl Lange (1834-1884) hatte von 1861 an das Schloß Paffendorf umgebaut und baute 1873 auch an der Kirche St, Remigius in Bergheim. Von Euskirchen wurde er an Pastor Richartz empfohlen. Er arbeitete für den Neubau einen Situationsplan und einen Erläuterungsbericht aus, der dem Generalvikariat vorgelegt wurde.16 Zu dieser Zeit waren in dem „Baufonds“ der Kirche 4.500 Taler enthalten. Pastor Richartz und der Gemeinderat von Oberaußem wollten den Fonds so weit aufstocken, daß auch ein Grundstück für den Neubau gekauft werden konnte. Doch dafür war die Genehmigung der Regierung in Köln erforderlich. Diese machte ihre Entscheidung von dem Gutachten des Kreisbaumeisters über die Eignung der in Frage kommenden Grundstücke abhängig. Der Baumeister sprach sich „entschieden“ für einen Neubau an der Stelle der alten Kirche aus. Er schätze die Kosten für den Neubau an dieser Stelle geringer ein als auf „Geuers Garten“.

Am 27. April 1870 entschied die „konigliche Regierung“, daß der Neubau an der Stelle der bisherigen Kirche erfolgen müsse Sie lehnte auch eine weitere Diskussion über den Bauplatz ab. Nun bildeten sich zur Standortfrage zwei Parteien. Die Regierung, der Landrat und der Oberaußemer Gemeinderat waren für den „Fall A“: Neubau auf dem Tonnenberg. Pfarrer Richartz und der „Kirchenrat“ (so hieß die Vertretung der Pfarrangehörigen seit der Franzosenzeit) traten für einen Bau in dem leichter zugänglichen „Geuers Garten“ ein (Fall B). Auch das Generalvikariat sprach sich für den Fall A aus.

Am 13. Januar 1871 – in einem sehr kalten Winter und wenige Tage vor der Proklamierung des neuen deutschen Kaiserreiches in Versailles – berieten der Kirchenrat und der Gemeinderat unter Vorsitz von Landrat Birk. Sie waren für den „Fall A“. Aber sie bemängelten auch, daß August Lange eine Kirche für 1.350 Glaubige geplant hatte: Wie war das möglich gewesen? Lange hatte angenommen, daß Pläne für eine Bahnlinie von KöIn über Oberaußem und Bergheim nach Jülich und Aachen Gestalt annehmen würden. Daraufhin hatte er mit einem starken Anwachsen der Bevölkerung gerechnet. Nun mußte Lange einen neuen Plan entwerfen, da die Bahnpläne Makulatur geworden waren. Der neue Plan wurde von der Regierung am 24. September 1872 angenommen.

In den Jahren, die nun folgten, verschärften sich die Spannungen im Dorf zwischen den beiden Gruppen. (Auch in anderen Dörfern gab es erbitterte Auseinandersetzungen zwischen Anhängern und Gegnern von Standorten für einen Kirchenbau, so z.B. in Geyen im Kreis KöIn (heute Pulheim-Geyen). In der Zwischenzeit wurde der Neubau dringlicher. Seit dem Sommer 1875 durfte der Pfarrer von Büsdorf, Franz-Josef Lindecke, auf Grund einer Verfügung der Behörder keine gottesdienstlichen Handlungen mehr vornehmen. Er war „gesperrt“, wie man sich damals ausdrückte. Das war eine Folge des Kulturkampfes zwischen dem preußischen Staat und der Kirche.17 Die Gläubigen aus Büsdorf- Büsdorf hatte ca. 450 katholische Einwohner – besuchten nun die Gottesdienste in Oberaußem. 1876 beantragte Pastor Richartz bei dem Generalvikariat die Verlängerung der Erlaubnis, sonntags zwei Messen lesen zu dürfen („Bination“). Er begründete den Antrag mit dem Besuch der hl. Messen durch die Büsdorfer. 18 Die Erlaubnis wurde auch erteilt.

Eine Wende in dem lange währenden Streit ergab sich, als Bürgermeister Becker anerkannte, daß die Verwaltung der für den Kirchenbau gesammelten Gelder der Pfarre zustehe. „Wenn die Pfarrgemeinde die Gelder verwalten darf, dann darf sie auch über den Bauplatz entscheiden“, so wurde nun argumentiert. Am 21. April 1876 beschloß der Kirchenvorstand (so hieß jetzt der frühere Kirchenrat) einstimmig, den so genannten „Geuers Garten“ als Bauplatz auszuwählen. Wie lange hatte es gedauert, bis die Erkenntnis sich durchsetzte, die Pfarrer Gröbbels schon 1867 hatte! Die Bauarbeiten begannen aber erst 1878 mit Planierungsarbeiten.

Der Bau der Kirche und die Einrichtung

So sehr auch der Bauplatz lange Zeit umstritten war, so wenig hat man über den Baustil diskutiert, in dem die Kirche zu bauen war. Seitdem der Kölner Dom in dem Stil der mittelalterlichen Gotik weitergebaut wurde (ab 1842). wurde der „neugotische Stil“ zum weithin vorherrschenden Stil der vielen Neubauten im Erzbistum Köln. Auch August Lange hat im neugotischen Stil gebaut. Die Ausführung des Baus wurde dem Maurermeister Lenzen aus Glesch übertragen. Schon ragten die Grundmauern aus der Erde, als am 1. September 1878 die Grundsteinlegung erfolgte.

Dem ersten Stein wurde eine umfangreiche lateinische Urkunde beigegeben, aus der ich einige Absätze in Übersetzung zitieren möchte:19 „Endlich wurden am 1. September 1878 zur Freude der Pfarrangehörigen die Fundamente dieser Kirche gelegt. Das war das Jahr, in dem Papst Pius IX., „Kreuz vom Kreuze“ starb, in dem Papst Leo XIII. begann, die Herde Gottes zu weiden. Es war das dritte Jahr, in dem Erzbischof Paulus Melchers gezwungen war, außerhalb des Erzbistumes zu leben und das siebte Jahr, nachdem der K önig Wilhelm I. von Preußen als Deutscher Kaiser proklamiert worden war. Bei dieser feierlichen Grundsteinlegung waren anwesend die Vorsteher (scabini) der Kirche von Oberaußem, nämlich Theodor Richartz, Pfarrer, Wilhelm Baumann, Wilhelm Schmitz, Johann Heinrich Berens, Gottfried Hintzen, Jakob Hintzen, Ferdinand Rüntz, ferner 18 Mitglieder der kirchlichen Gemeindevertretung: Ludwig Schönen, Johannes Esser, Mathias Robertz, Gregor Montz, Wilhelm Hintzen, Wilhelm Berens, Wilhelm Füser, Peter Wintz, Christian Weitz, Johannes Schmitz, Heinrich Hilgers, Edmund Wintz, Heinrich Hintzen, Adam Schreyer, Peter Joseph Schönen, Peter Hensen, Cornelius Schmitz, Wilhelm Schönen und der Bürgermeister („praeses loci“) Herr Commer endlich der sehr verehrungswürdige Landrat („praefectus maxime Reverendus“) Her Herwarth von Bittenfeld. An diesem ersten September des Jahres 1878 also wurde der Grundstein unter Anrufung des hl. Vincentius, des Patrons des Dorfes und der Kirche gelegt. Dabei baten die anwesenden Pfarrangehörigen den allmächtigen Gott, daß in diesem Ort immer der wahre christliche Glaube gelehrt, die Sakramente richtig gespendet und allen Betern reiche Gnade zuteil werden möge.“

Die Bauarbeiten dauerten mehr als zwei Jahre. Die Kosten beliefen sich nach der Chronik auf ca. 25.000 Taler.20 Nun wurde aber seit 1873/74 im Deutschen Reich in der neuen einheitlichen Wahrung, der „Mark“, bezahlt. Der Umrechnungskurs vom Taler zur Mark war 1:3. Christian Kämmerling hat dementsprechend die Kosten mit ca. 75.000 Mark angegeben.21 Dabei wurden bei der Spar- und Darlehenskasse des Kreises Bergheim zwei Darlehen in Höhe von zusammen 30.000 Mark aufgenommen.22 Die Kirchenkasse war nach diesen Ausgaben nicht mehr in der Lage, auch noch die Finanzierung des neuen Mobiliars zu übernehmen. Das alte Kirchenmobiliar konnte aber nicht mehr verwendet werden. In dieser Situation zeigte sich, welche Opfer die Bewohner des Dorfes zu bringen bereit waren. An einem Abend wurde „auf die Anregung des Pfarrers von einzelnen Wohltätern fast das ganze reiche Kirchenmobiliar versprochen und das Versprochene (wurde) treulich ausgeführt.“23

Die Liste der Wohltäter in der Chronik beginnt mit dem Gutsbesitzer Baumann, der drei neue Glocken schenkte. Pastor Richartz stiftete den Hochaltar mit Darstellungen aus dem Leben des hl. Vincentius. Er war von dem Bildhauer Moest in Köln angefertigt worden. Auf der Rückseite des Altares stand die lateinische Inschrift: ‚IesV et VInCentlo aLtare MaIVs Dona VIt rlChartz paroChVs“. In Deutsch „Diesen Hauptaltar von Jesus und dem hl. Vincentius schenkte Pfarrer Richartz. Die Großbuchstaben in der Inschrift ergeben die Jahrszahl 1881.24

Der Gutsbesitzer Wilhelm Schmitz vom Abtshof und seine Frau schenkten die beiden Seitenaltäre, die ebenfalls ein Werk des Bildhauers Moest waren. Die Witwe Nicolin schenkte die „prächtige Kanzel“, die Geschwister Hintzen und Ludwig Schönen schenkten Chorstühle, die in der Gemeinde geschnitzt worden waren, Gottfried Hintzen schenkte die Kommunionbank, ein Werk des Bildhauers Jäger. (Von Jäger sind auch die Kanzel und die Kommunionbank angefertigt worden). Der Taufstein ist ein Geschenk des Gemeindevorstchers Heinrich Berens. Ferdinand Rüntz ließ auf seine Kosten die Kirchenuhr reparieren und an der Kirche anbringen. Die Kirchenbänke wurden nach dem Muster der Kirchenbänke im Kölner Dom von 13 Bewohnern der Pfarre in Auftrag gegeben und geschenkt.Es gab aber auch sinen „ungenannten Wohltäter“. Er schenkte der Kirche die Uniform des Kirchenschweizers. (Der Schweizer hatte für die Ordnung in der Kirche während der Gottesdienste zu sorgen). Der Unbekannte schenkte aber auch die neue Orgel, die Clemens Schneider gebaut hatte. Dazu kamen als weiteres Geschenk zehn Petroleumlampen für die Kirche. Elektrische Beleuchtung gab es noch nicht.

Am 5. September 1880, dem Tag der Kirmes, wurden die drei neuen Glocken geweiht. Sie waren laut der Chronik so gut gelungen, daß bei dem ersten Läuten „die alten Leute vor Rührung Tränen vergossen“.25 Die Inschrift dieser Glocken soll hier wegen ihrer Bedeutung für das Glaubensleben festgehalten werden. Die Inschrift der großen Glocke lautete:

„Sanct Vincenz und Sanct Anna. Ich rufe Euch mit lautem Ton. Helft, daß im Glauben fest und treu, die Pfarre stets gegründet sei“.

Die mittlere Glocke hatte folgende Inschrift:

„Maria Dir zu Ehren, ward diese Glock‘ geweiht, Wollest stets von uns abwehren Krieg, Pest und schwere Zeit.“

Auf der kleinen Glocke stand:

„Mein Ton ist gestimmt. Gleich wie Dein Herz. Bald klingt es freudig. Bald von Schmerz. Drum sei meinem Rufe stets bereit. Dann läut ich dir froh zur Ewigkeit.“

Die Gläubigen wurden durch die erste Glocke an das hohe Gut des Glaubens gemahnt. Die Pfarrpatrone, St. Vincentius und St. Anna, sollten dafür sorgen, daß der wahre Glaube in Oberaußem erhalten werde. Die zweite Glocke bat die Muttergottes um Schutz vor den großen Gefahren, denen das irdische Leben ausgesetzt ist. Die dritte Glocke aber mahnte an die Ewigkeit.

In den Jahren des Baues der Kirche schenkte das Stifts-Kapitel des Aachener Münsters der Pfarre Oberaußem zwei Reliquien des hl. Vincentius. Eine größere Reliquie ist bei der Weihe der Kirche durch Weihbischof Dr. Antonius Fischer (von 1903 bis 1912 Erzbischof von Köln) in den Hochaltar eingemauert worden. Die kleinere ruht in einem Reliquiar, das der Oberpfarrer Jakob Richartz aus Eupen der Pfarrkirche von Oberaußem schenkte. Jakob Tilmann Philipp Richartz war von 1861 bis zum Tode 1892 Pfarrer (Oberpfarrer) in Eupen (heute Belgien). Er wird in einer Schrift über die Pfarre Eupen als „begabter und kenntnisreicher Mann, zugleich der katholischen Kirche treu ergebener Priester“ geschildert. Richartz führte in Eupen den hl. Kreuzweg ein und förderte die Andacht zum hl. Kreuzweg, wie sein Bruder in Oberaußem. Er wird auch die Schenkung der Reliquien durch das Aachener Stiftkapitel vermittelt haben.

Die Weihe der Kirche am 26. Mai 1881

18 Jahre waren vergangen, seitdem Theodor Richartz in das Amt des Pfarrers eingeführt worden war. In diesen Jahren hatten die Bewohner des Dorfes große Opfer fur den Bau einer neuen Kirche gebracht. Nun war der große Tag der Kirchenweihe gekommen. An sich ist die Weihe einer neuen Kirche dem Bischof vorbehalten. Aber der Erzbischof Paulus Melchers war in den Niederlanden im Exil. Der einzige Weihbischof, Johann Anton Friedrich Baudri, war fast 80 Jahre alt und konnte nicht die vielen Termine einhalten die ihm in der großen Erzdiözese (es gab noch kein Bistum Aachen) oblagen. So nahm Dechant Erner am Fest Christi Himmelfahrt 1881 die Weihe vor.

Christian Kämmerling zitiert in seinem Buch einen Bericht über das Fest26: „Am Fest Christi Himmelfahrt wurde die neu erbaute Kirche in Oberaußem dem kirchlichen Gebrauch übergeben. Wenn bei der allgemeinen Freude in die Herzen der vielen Tausende, welche zur Feier versammelt waren, eine stille Wehmut sich versenkte, so war dies der Gedanke, daß der hochwürdigste Herr Erzbischof in der Ferne weilte, und es demnach nicht vergönnt war, der Kirche die feierliche bischöfliche Consekration zu erteilen. Was von dem alten Rom gesagt wird, daß die Privatwohnungen einfach, die Tempel aber und öffentlichen Gebäude mit aller Pracht ausgestattet gewesen seien das gilt in hohem Grade auch von dem jetzigen Oberaußem; bescheiden in den Ansprüchen, welche die Einwohner an ihre Privatwohnungen stellten, wollten sie ihre Kräfte vereinen, um dem Allerhöchsten ein schönes Haus zu bauen, welches auch noch im kommenden Jahrhundert Zeugnis ablegen wird von ihrem frommen Sinn und ihrer religiösen Begeisterung.

In der Festrede, in welcher der Bruder des Pfarrers von Oberaußem, Herr Oberpfarrer Richartz in Eupen, die Bedeutung des Tages und die daraus sich ergebenden Pflichten der Pfarrgemeinde in beredten Worten darlegte, gedachte derselbe namentlich auch der Verdienste des Kirchenvorstandes, sowie anderer Pfarrgenossen, deren Opferwilligkeit es ermöglichte, daß schon am Tage des Einzuges in die neue Kirche drei neue Altäre, Communionbank, Beichtstuhl, Taufbrunnen und Glocken dem öffentlichen Gebrauch übergeben werden konnten. Schließlich gab der Redner der Hoffnung und dem Wunsch Ausdruck, daß im kommenden Jahr unser hochwürdigster Herr Erzbischof die feierliche Konsekration der Kirche vollziehe. Was der Redner aus Bescheidenheit verschwieg, möge hier noch nachträglich bemerkt werden: daß es ohne die rastlose Anstrengung Sachkenntnis und Opferwilligkeit sei- nes Bruders, des Herrn Pfarrer Richartz in Oberaußem, doch ohne Zweifel nicht gelungen wäre, ein solches Werk zustande zu bringen. Der Wunsch des Festredners nach baldiger Rückkehr des Erzbischofes erfüllte sich nicht. Paulus Melchers wurde 1885 Kurienkardinal in Rom. Sein Nachfolger als Erzbischof wurde Philippus Krementz, vorher Bischof des Ermlandes. Doch erst 1889, am 13. Oktober, konnte der neue Weihbischof Antonius Fischer die neue Kirche konsekrieren. Leider kennen wir keinen Bericht über die Feierlichkeit. Der Weihbischof weihte am 13. Oktober 1889 auch drei neue Altäre: den Hauptaltar zu Ehren des heiligen Vincentius, den Altar der hl. Mutter Anna und den Altar der Mutter Gottes.27

Zwei Jahre nach der Konsekration führte der Dechant des Dekanates Bergheim eine Visitation der Kirche durch. Er war beeindruckt von der Schönheit und dem Glanz der Kirche. „Die So schöne sehr geräumige Kirche ist in gotischem Stil erbaut. Im Inneren alles, was sich dem Auge bietet, zu Andacht und Erbauung an. Altäre, Kanzel, Communionbank sind dem Stile der Kirche angepaßt. Die Orgel ausgezeichnet und der Küster spielt sie vorzüglich.“28

Im Rheinland sind in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts viele katholische Kirchen gebaut worden. Überall brachten die Katholiken aus einer tief religiösen Gesinnung Opfer für die Bauten. Auch die Oberaußemer konnten mit Genugtuung die schöne, helle Kirche als ihr Werk betrachten. – An dieser Stelle soll noch kurz von dem Küster berichtet werden, der die Orgel so vorzüglich spielte. Adolph Knabben war 1872 als Nachfolger von Wilhelm Hilgers nach Oberaußem gekommen. Seine Stelle war mit 8 Morgen (2 Hektar) Land dotiert. Das Einkommen wurde von Zeit zu Zeit verbessert. Seine Pflichten waren in der Dienstvorschrift für die Küster im Dekanat Bergheim verzeichnet. Adolph Knabben starb am 4. Oktober 1904. Nach Dürbaum hat Pastor Richartz eine Küsterwohnung bauen lassen.29

Pastor Richartz wurde im Kulturkampf angeklagt

Wiederholt war von dem „Kulturkampf “ die Rede. So nennt man die Auseinandersetzung zwischen dem preußischen Staat und der katholischen Kirche in den Jahren 1871 bis 1887. Der liberale Politiker Rudolf v. Virchow hat sie in einer Wahlkampfschrift als „Kampf für die Kultur“ bezeichnet und so den Begriff Kulturkampf geprägt. Der Kampf wurde von Otto v. Bismarck, dem preußischen Ministerpräsidenten und Reichskanzler und als seinem Erfüllungsgehilfen, dem Kultusminister Adalbert Falk, geführt. Am Ausgangspunkt stehen die Ablehnung der Lehren des Liberalismus durch eine Lehrveröfentlichung Papst Pius IX. („Syllabus“) und die Verkündung der Unfehlbarkeit des Papstes durch das Erste Vatikanische Konzil 1870, aber auch der Versuch Bismarcks, den kirchlichen Einfluß auf die Politik cinzudämmen.30 1871 wurde der „Kanzelparagraph“ in das Strafgesetzbuch cingeführt. Er bedrohte Geistliche mit Strafen, wenn sie in Ausübung ihres Amtes öffentliche Angelegenheiten in einer den Frieden gefährdenden Weise erörterten. Dann wurde die geistliche Schulaufsicht abgeschafft. Zu Anfang des Jahres 1873 bedankte Erzbischof Melchers sich in einem Schreiben an Pfarrer Richartz für ein Treuebekenntnis der Katholiken aus Oberaußem:31

„Euer Hochwürden ersuche und beauftrage ich, den zahlreichen Unterzeichnern der dortigen Pfarr-Gemeinde unter ‚m 22. ten ds. Monats mir zugesangenen Laien-Adressen in geeigneter Weise bezeugen zu wollen, daß der darin enthaltene Ausdruck entschiedener Glaubenstreue, unwandelbarer Anhänglichkeit an unsere hl. Kirche und völliger Übereinstimmung mit den in der jüngsten bischöflichen Denkschrift angesprochenen Grundsätzen angesichts der gegenwärtigen, die Freiheit der Kirche bedrohenden Gefahren mich mit Trost und Freude erfüillt haben. Ich bitte den Allgütigen, daß er solche Gesinnungen in den Herzen der Angehörigen der dortigen Pfarre erhalten und stärken wolle, auf daß sie in allen bevorstehenden Prüfungen ausharren und bewährt erfunden werden.

Gruß und Segen im Herren!
Köln, den 24. Februar 1873
Der Erzbischof von Köln
Paulus.“

Die Prüfungen kamen. Im Mai 1873 wurden in Preußen die „Maigesetze“ verabschiedet. Eines davon schrieb vor, daß der Diözesanbischof vor der Besetzung einer geistlichen Stelle dem Oberpräsidenten der Provinz Kenntnis geben sollte. Erst wenn der Oberpräsident nicht widersprach, konnte der Geistliche in sein Amt eingeführt werden. Die preußischen katholischen Bischöfe antworteten mit „passivem Widerstand“. Sie ernannten weiter Pfarrer und Kapläne ohne den Oberpräsidenten vorher zu verständigen. Der Staat leitete Gerichtsverfahren ein, die in vielen Fallen mit Geldstrafen für den Bischof und für den ohne Genehmigung amtierenden Geistlichen endeten. Wurden die Geldstrafen nicht bezahlt, so trat eine „Ersatz-Freiheitsstrafe“ an ihre Stelle.

1874 mußte Erzbischof Melchers eine halbjährige Ersatz-Freiheitsstrafe im „königlichen Gefängnis“ in Köln verbüßen. Einer zweiten Verhaftung entzog er sich Ende 1875 durch die Flucht in die Niederlande. In geheimen Zusammenkünften mit seinen Mitarbeitern konnte der im Exil lebende Erzbischof seine Diözese weiter leiten.

Der Pfarrer von Büsdorf, Franz-Josef Lindecke, mußte im Juni 1875 wegen eines Verstoßes gegen den Kanzelparagraphen eine Festungshaft auf der Festung Ehrenbreitstein verbüßen. In Büsdorf gab es keinen Gottesdienst. Nach kirchlicher Vorschrift mußte nun das Ciborium mit den geweihten Hostien in eine Kirche gebracht werden, in der noch hl. Messen gelesen wurden.32 Dechant Erner beauftragte Pastor Richartz, das Ciborium nach Oberaußem zu bringen. Als Theodor Richartz am 20. Juni 1875 diesem Auftrag nachkam, lauteten die Kirchenglocken und in der Kirche fanden sich Gläubige ein, Richartz segnete die Gläubigen und gestattete auch, daß diese ihn bis zur Grenze der Gemarkung Büsdorf begleiteten. Das wurde angezeigt. Die Behörden sahen die Segnung der Gläubigen als Verstoß gegen das schon erwähnte Maigesetz an.

In dem folgenden Verfahren vor dem „Zuchtpolizeigericht“ Bergheim (es galt noch die aus der Zeit Napoleons kommende Gerichtsverfassung) verteidigte der Pastor sich damit, daß das Läuten der Glocken und die Begleitung der Gläubigen ohne seinen Willen geschehen sei. Er wurde freigesprochen. Das Verfahren ging aber noch an den „Appellhof“ in Kõln (2. Instanz) und an das „Königliche Obertribunal“ in Berlin (3. Instanz). Es endete mit einem Freispruch. Pastor Lindecke wurden nach seiner Rückkehr alle Amtshandlungen verboten. Bis zum Jahre 1887 blieb er gesperrt.33 In dieser Zeit besuchten die Gläubigen aus Büsdorf, wie schon berichtet wurde, die Gottesdienste in Oberaußem.

Pfarrer Richartz gehörte zu den 13 Geistlichen aus dem Kreis Bergheim, denen vom Staat die Befugnis, Religionsunterricht zu erteilen, entzogen wurde.34

Die Kirchenländereien wurden beschlagnahmt

Gegen den „passiven Widerstand“ der Bischöfe setzte der preußische Staat mit dem Gesetz vom 22. April 1875 eine neue Waffe ein. Er stellte die finanziellen Leistungen an die katholische Kirche ein. Im Volksmund erhielt das neue Gesetz den Namen „Brotkorbgesetz“, denn viele Geistliche hatten zu ihrem kirchlichen Einkommen bisher einen Staatszuschuß erhalten, der jetzt entfiel. Der Erzbischof ordnete monatliche Kollekten für den Unterhalt der Geistlichen an. Mochte das finanzielle Opfer, das von den Gläubigen gefordert wurde, auch erheblich sein, es wurde geleistet.

In der Not der Kulturkampfzeit hielten der Klerus und das katholische Volk eng zusammen Die Pfarrgemeinden auf dem Land verfügten über Landbesitz, der an Bauern verpachtet war, die „Pfarr-Dotalgüter“. Sie wurden im linksrheinischen Gebiet auf Grund der französischen Gesetzgebung (1798-1814) als Staatseigentum angesehen, das der Kirche vom Staat nur zum Gebrauch überlassen worden sei. Ein Erlaß des Kultusministers Dr. Falk vom 31. Januar 1876 entzog den Pfarrgemeinden die Nutzung der Dotalgüter. Am 4. August 1876 teilte Bürgermeister Becker, Paffendorf, dem Kirchenvorstand in Oberaußem mit, daß die Beschlagnahmung alle Ländereien mit Ausnahme des Pfarrhauses und -gartens betreffe.35 Der Bürgermeister von Bergheim, Josef Commer machte dem Kirchenvorstand die Mitteilung, daß er Pfarreigentum in der Gemeinde Quadrath beschlagnahme und die Pächter anweise, den Pachtzins an die Bürgermeisterei zu überweisen.36 Es handelte sich insgesamt um 76 Morgen Land (19 Hektar).

Im Oktober 1876 protestierte der Kirchenvorstand gegen die Beschlagnahmungen. Er machte geltend, daß die Kirchenländereien einst dem Kloster Komelimünster gehört hätten und als „verheimlichtes Klostergut“ nicht zum Pfarvermögen gehöre.“37 Es kam zu Gerichtsverfahren, in denen die Pächter des Kirchenlandes gegen die Bürgermeister prozessierten. 1880 (16. März) teilte Josef Commer, jetzt Bürgermeister von Bergheim und Paffendorf, Pfarrer Richartz mit, daß die Beschlagnahmung aufgehoben worden sei.38

Während des Kulturkampfes hatte der preußische Staat die Verwaltung des Kirchenvermögens neu organisiert. Als Vertretung der Gläubigen in der Pfarre wurde der Kirchenvorstand gebildet, Der Pastor war Mitglied im Kirchenvorstand, aber nicht Vorsitzender. Es gab aber auch eine kirchliche Gemeindevertretung. Diese bestand aus der doppelten Anzahl von Mitgliedern wie der Kirchenvorstand. Die Gemeindevertretung hatte die Aufgabe, bei wichtigen Beschlüssen zuzustimmen und andere Maßnahmen zu überprüfen. Im Pfarrarchiv von Oberaußem befindet sich ein Beschlußbuch der kirchichen Gemeindevertretung.39 Seine erste Sitzung war am 21. November 1875. Vorsitzender wurde durch Wahl der Mitglieder Herr Ludwig Schoenen, Stellvertreter Herr Wilhelm Berens. Die Gemeindevertretung trat meist nur einmal im Jahr zusammen, um den Haushaltsplan zu genehmigen.

Als 1878 Papst Pius IX. starb und ihm der diplomatische Leo XIII. folgte, besserte sich das Verhältnis zwischen dem Staat und der katholischen Kirche. Bismarck mußte aus innenpolitischen Gründen eine Verständigung mit der Zentrumspartei, der Vertreterin der deutschen Katholiken in den Parlamenten, anstreben. Er ließ die Liberalen, die ihn zum Kulturkampf gedrängt hatten, fallen. So wurde ab 1880 die Kulturkampfgesetzgebung allmählich schrittweise abgebaut, bis auf geringe Reste, wie das Verbot des Jesuitenordens. 1887 konnte Pfarrer Lindecke wieder seinen priesterlichen Dienst in Büsdorf aufnehmen, nachdem er zwölf Jahre lang in Untätigkeit verharren mußte. Wenige Jahre später bauten auch die Büsdorfer eine neue gotische Kirche. 1893 war Pfarrer Richartz wieder Schulpfleger.

Der Pastor ist „ein rühriger Seelsorger“

In der Akte Nr. 2 des Bestandes Oberaußem im Historischen Archiv des Erzbistumes Köln (AEK) finden sich Antworten auf einen Fragebogen, den der Dechant bei einer Visitation übergeben hatte. Sie geben einen Einblick in das religiöse Leben der Oberaußemer um das Jahr 1870. In dem Jahr 1868 waren im Dorf 35 Kinder getauft worden. Es hatte fünf Eheschließungen gegeben und 22 Beerdigungen. Sonntags las der Pastor zwei Messen: die Frühmesse und das Hochamt. In beiden Messen wurde gepredigt. Am Nachmittag fand dann die „Christenlehre“ statt. Sie wurde von Pastor Richartz als „Volkskatechese“ gestaltet, also als Belehrung auch der Erwachsenen. Solange es in den Schulen Religionsunterricht durch den Pfarrer gab, hatte die Christenlehre keine besondere Bedeutung. Als aber während des Kulturkampfes Pastor Richartz und vielen Geistlichen die Befugnis zur Erteilung des Religionsunterrichtes entzogen wurde, konnte der Pastor nur durch die Katechese an den Sonntagnachmittagen die Glaubenslehren und Sittenlehren der Kirche in größeren Zusammenhängen verbreiten. (So war die Situation auch, nachdem 1937 die Geistlichen vom Schulunterricht ausgeschlossen worden waren). Die Schulmessen begannen im Winter um 7 Uhr, nur bei ganz kurzen Tagen um 7.30 Uhr. Im hohen Sommer begannen die Schulmessen um 6 Uhr. Es ist nicht zu erkennen, ob an jedem Werktag Schulmesse gehalten wurde. Das war eine Forderung des ersten Erzbischofes der 1821 wiedererrichteten Erzdiözese, Ferdinand Graf Spiegel v. Desenberg, gewesen. Der Erzbischof wollte nach den Jahren der glaubensfremden französischen Herrschaft wieder ein festes Fundament für das christliche Leben legen. Auf die Christenlehre folgte die Andacht.

Am 1. Sonntag im Monat gab es eine kurze Andacht, am 2. Sonntag hatte die „Bruderschaft von der christlichen Lehre“ eine Andacht. Am 3. Sonntag war Andacht der 1867 gegründeten „Bruderschaft vom unbefleckten Herzen Mariä“ und am 4. Sonntag der „Bruderschaft von dem Erzengel Michael“. Diese Bruderschaften hatten das Ziel, das Gebetsleben der Männer, Frauen und Kinder zu vertiefen, zu geistlichen Gedanken anzuregen. Doch in Oberaußem bestand auch die „uralte Bruderschaft vom hl. Vincentius“. Sie soll zuerst in einer Entscheidung des K urfürsten von Köln erwähnt worden sein, die am 18. Juli 1701 in Düsseldorf getroffen wurde. 1728 wurden die Statuten der Vincentius-Bruderschaft erneuert. In der Antwort auf den Fragebogen wird ausdrücklich erwähnt, daß die Mitglieder der Bruderschaften dem geistlichen Unterricht „recht fleißig“ beiwohnten. Es gab auch einen ge „Verein vom hl. Karl Borromäus“, der sich die Werbung für das christliche Buch zum Ziel gesetzt hatte. Er hatte allerdings 1869 nur 7 Mitglieder.

1869 gab es in Oberaußem etwa 20 arme Familien. Für sie war die Armenunterstützung der Gemeinde Oberaußem zuständig. Die Kirchengemeinde Oberaußem hatte einen Fonds für die Bekleidung von armen Kindern.

Zur Erneuerung und Vertiefung des religiösen Lebens fanden von Zeit zu Zeit Volksmissionen statt. Theodor Richartz hatte schon als Pastor in Schwerfen eine Mission durch Lazaristenpatres durchführen lassen. Als er vier Jahre in Oberaußem war, hielten wiederum Lazaristenpatres dort eine 14-tägige Volksmission.40 Während dieser Mission wurde die schon erwähnte „Bruderschaft vom unbefleckten Herzen Mariä“ begründet. Pastor Richartz wurde ihr Präses. Schon nach zwei Jahren hatte die Bruderschaft einige hundert Mitglieder.41

1872 sorgte der unermüdlich tätige Pfarrer wieder für eine Mission. Jetzt kamen so viele Opfergaben ein, daß eine gotische Monstranz angeschafft werden konnte. Im folgenden Jahr beschaffte Theodor Richartz Stationsbilder des hl. Kreuzweges. Sie wurden durch einen Lazaristenpater eingesegnet und später in die neue Kirche übertragen. Bis zur nächsten Mission dauerte es nun anderthalb Jahrzehnte (11. bis 16. Dezember 1886). Die Chronik vermerkt, daß die Mission einen nachhaltigen Eindruck vermittelt habe und „seitdem an den Sonn- und Feiertagen der hl. Kreuzweg recht fleißig gebetet werde“.42 Noch ein viertes Mal konnte der alte Pastor eine Volksmission halten, dieses Mal um die Jahreswende 1896/97. Es fällt auf, daß in Oberaußem häufiger als in anderen Pfarreien Missionen veranstaltet wurden, gewiß dank der Bemühungen von Pastor Richartz

Nach dem Visitationsbericht vom Jahre 1895 gingen die Kinder im Alter von 8 bis 8 1/2 Jahren erstmals zur Beichte. Mit 12 Jahren konnten sie die erste hl. Kommunion empfangen. Die Kranken wurden jedes Vierteljahr mit den Sakramenten „versehen“.

1895 kam der Dechant Mülstroh zu einem Urteil, das eine hohe Wertschätzung des nun 76 Jahre alten Confraters ausdruckte. „Der Herr Pfarrer Richartz ist trotz seines hohen Alters von 76 Jahren noch außerordentlich rüstig. Er kommt seinen Pflichten als Seelsorger mit einer Gewissenhaftigkeit nach, die einem 30 Jahre jüngeren Mann zur Ehre gereichen würde“.43 In einem anderen Visitationsbericht heißt es: Der Pastor Richartz ist ein „rühriger Seelsorger“. Richartz hatte die schöne, große Kirche gebaut. Er hatte sich aber vor allem bemüht, auf die Herzen der Oberaußemer einzuwirken.

Das 50-jährige Priesterjubiläum

Am 18. und 19. September 1893 konnte Theodor Richartz unter großer Teilnahme der Oberaußemer Bevölkerung und von auswärtigen Gästen das 50- jährige Priesterjubiläum feiern. „Böllerschüsse kündeten am Vorabend das Fest an und eröffneten amTage selbst in früher Morgenstunde die Festlichkeiten. Um 8 Uhr riefen die Glocken zur kirchlichen Feier. Der Jubilar wurde im Pfarrhaus abgeholt, wo ihm von der Schule das mit goldenem Kranze verschene Birett überreicht wurde. Unter den Klängen der Musik bewegte sich der festliche Zug durch die reich geschmückten Straßen zur Kirche. Für die nun folgende Jubelmesse, welcher außer zahlreichen Geistlichen auch der Herr Landrat und der Herr Bürgermeister beiwohnten, hatte der Herr Pfarrer Vosen von Honnef, ein Verwandter des Jubilars, die Festpredigt übernommen, in welcher er das Thema „Was ist der Pfarrer dem Volke?“ meisterhaft behandelte. Nachdem das „Te Deum“ verhallt war, wurde der Jubilar zum Pfarrhaus begleitet.

Gegen 12 Uhr fand die Gratulation seitens des Herrn Landrats, des Kirchenvorstandes usw. statt. Zur Festtafel waren außer den zahlreichen Verwandten des Jubilars für heute nur die auswärtigen Herren und der Senior der Pfarre eingeladen. In den Nachmittagsstunden führte die Gesellschaft „Erholung“ das Drama „Die christlichen Helden“ auf, wobei der Verein sich des Besuches des Jubilars und seiner sämtlichen Gäste zu erfreuen hatte. Die Nettoeinnahme, ein hübsches Sümmchen ist in die Kasse geflossen, welche die Aufschrift trägt: „Zur Verschönerung des Festes!“ Beim Festzug wechselten am Pfarrhaus Liedervorträge der Schule und des Kirchenchores mit Einlagen der Musikkapelle ab, während auf dem nahegelegenen Hügel die beiden Feuerwerker zur allgemeinen Zufriedenheit ihres Amtes walteten. Tiefbewegt erwiderte der Jubilar auf die an ihn gerichteten Ansprachen und dankte der ganzen Pfarre für alles, was sie zur Verschönerung seines Jubelfestes aufgeboten hatte. Der Fackelzug machte sämtliche Straßen des Dorfes ab und um 11 Uhr war das schöne Fest beendet.

Für den folgenden Tag waren im Pfarrhause zahlreiche Gaste aus der Pfarre eingeladen worden. Noch sei erwähnt, daß der Jubilar an seinem Jubeltage nicht bloß der Armen gedacht, sondern auch alt und jung zu erfreuen sich bemüht hat. Wir aber rufen ihm nochmals freudig zu: „Ad multos annos!“ (zu deutsch: auf viele weitere Jahre. Der Verfasser).44

Oberaußem hatte ein großes Fest gestaltet und erlebt. Die Verbundenheit, die sich in 30 Jahren zwischen dem Pfarrer und der Bevölkerung gebildet hatte, zeigte sich in der Anteilnahme aller Bewohner des Dorfes an der Feier. Die Pieta, die die Oberaußemer Pfarrer Richartz aus Anlaß seines Jubiläums schenkten, erinnert noch heute an das einmalige Fest.

Einige Tage nach dem Jubiläumsfest überbrachte Landrat Otto Graf Beissel von Gymnich dem Jubilarpriester eine hohe Auszeichnung, den Roten-Adler-Orden IV. Klasse. Er war von Kaiser Wilhelm II. als König von Preußen wegen der Verdienste des Pastors verliehen worden.45

Die letzten Jahre von Pfarrer Richartz

„Die Einwohner sind gut gesinnt und gehen ordentlich zur Kirche. Im Ort befindet sich eine Schnapsbrennerei, während gutes Bier selten ist.“ So berichtete der Dechant nach der Visitation von 1893 an den Erzbischof.“46 Das Thema „Schnapskonsum“ war zu dieser Zeit in Berichten über die Bewohner des Erftlandes nicht mehr neu. Schon 1808 hatte der französische Geograph Nicolas E. Rousseau geschrieben, daß die Männer im Kanton Bergheim viel Bier und Kornschnaps trinken und in den Schenken alle Zeit verbringen, die sie nicht arbeiten.47

Die Existenz der Brennerei in Oberaußem machte in der folgenden Jahren dem alternden Pastor Richartz viele Sorgen. 1898 berichtete Dechant Mülstroh nach Köln, daß im Dorf viel Schnaps getrunken würde. Der Inhaber der Brennerei hielt aber auch sozialdemokratische Zeitungen und verbreitete sie. So kam es, daß Oberaußem nach Fliesteden die meisten Stimmen für Bebel lieferte.48 Die SPD war noch von marxistischen, der christlichen Religion feindlichen Gedankengängen beherrscht. Deshalb hielt die katholische Kirche eine Stimmabgabe für die von August Bebel geleitete Partei nicht für vertretbar. Eine weitere Schwierigkeit für die Seelsorge ergab sich aus dem Aufschwung des Braunkohlebergbaues. Die Einwohner von Fortuna stammten aus vieler Herren Länder. Sie waren in der Seelsorge nicht so leicht zu betreuen wie die Oberaußemer.49

Am 17.1.1896 richtete Pastor Richartz ein Gesuch an „Seine Gnaden“, den Erzbischof Philippus Krementz.50 Er legte dar, daß er Gelder an den „Engelbertus-Verein“ bezahlt habe und jetzt um eine Zuwendung aus den Mitteln des Vereins bitte. Er benötige diese Zuwendung, um Hilfe bei der Seelsorge gegen Ende der Fastenzeit, zu Ostern, Pfingsten, Allerheiligen durch Ordensgeistliche zu bekommen. Er stehe in einer Gemeinde mit fast 1000 Seelen ganz allein da. „An allen Sonn- und Festtagen muß ich binieren (zwei Messen feiern, d. Verfasser) und die sonst vorgeschriebenen gottesdienstlichen Handlungen verrichten, was mir zur gegebenen Festzeit oft recht sauer wird, da die Landleute auch noch die üble Gewohnheit haben, möglichst alle Taufen, Beerdigungen, Brautexamen usw. auf den Sonntag zu legen“.

Im Sommer 1897 weilte Richartz vier Wochen zu einer Kur auf der Insel Borkum. Bevor am 17. September Dechant Mülstroh zu einer Visitation nach Oberaußem kam, war gerade ein Kaplan im Dorf eingetroffen. Anton Pfennings war der erste „Hauskaplan“, der dem alten Pastor helfen sollte. „Hoffentlich findet er sich mit den Eigenschaften des alten Herrn zurecht“, schrieb der Dechant in seinem Bericht.51 1898 kam ein neuer Kaplan, Herr Flaum. Der Dechant beschrieb ihn als einen „braven, frommen jungen Mann, fleißig und voller Rücksicht gegen den alten Herren“. Der Kaplan hielt nun auch den Religionsunterricht.52

Am 24. November 1899 kam Dechant Mülstroh nochmals zur Visitation nach Oberaußem. Der Jubilarpriester Richartz war seit Wochen erkältet und konnte nicht mehr zelebrieren. Aus diesem Bericht ergibt sich auch, daß Pastor Richartz mit Fräulein Richartz, wahrscheinlich seiner Schwester, zusammenlebte.53 Am 19. April 1900 ist Theodor Richartz „friedlich“ in Oberaußem verstorben.54

Über seine Beerdigung in der Krypta auf dem Friedhof berichtete das „Intelligenzblatt“ am 24. April 1900:55 „Die sterbliche Hülle unseres allverehrten Pfarrers Theodor Richartz wurde gestern morgen zu Grabe getragen. Die Teilnahme war eine so allgemeine, daß die Kirche die Leidtragenden kaum fassen konnte; von nah und fern waren Freunde und Bekannte, unter diesen Herr Landrat Graf Beissel und Herr Bürgermeister Commer sowie viele Amtsbrüder des Verstorbenen nach hier gekommen, um dem sehr beliebten Pfarrer die letzte Ehre zu erweisen. Die Dorfbewohner selbst beteiligten sich in solch großer Zahl, daß kaum einer im Leichenzuge fehlte. Die Schulkinder sowie sämtliche Vereine waren in demselben vertreten; sie bekundeten hierdurch aufs Deutlichste, wie nahe ihnen der Pfarrer gestanden. Neben seinem überaus segensreichen Wirken verdanken wir ihm an erster Stelle die prachtvolle Pfarrkirche; sie ist sein Werk und bildet ein bleibendes Andenken seiner langjährigen Thätigkeit in hiesiger Pfarre“.

Durch ein Testament vom 18. Juli 1899 hatte Theodor Richartz der Pfarrgemeinde Oberaußem „reiche Zuwendungen“ vermacht und eine Jahresmeßstiftung errichtet.56 Seit einigen Jahrzehnten heißt die Straße an der St. Vinzentiuskirche „Richartzstraße“.

Schlußbemerkung: Für die freundliche Beratung danke ich Herrn Josef van Elten, Archiv des Erzbistumes Köln.

Abbildungsverzeichnis:

Bild 1Pfarrarchiv Oberaußem
Bild 2:Kopie im Pfarrarchiv Oberaußem
Bild 3:aus: Das Kölner Dom Lese- und Bilderbuch (Köln 1990), Seite 156
Bild 4:Pfarrarchiv Oberaußem
Bild 5:Pfarrarchiv Oberaußem
Bild 6:Pfarrarchiv Oberaußem
Bild 7:Pfarrarchiv Oberaußem
Bild 8:aus: Zwanzigster Internationaler Eucharistischer Kongress 1909 (Köln 1909), S. 145
Bild 9:Pfarrarchiv Oberaußem
Bild 10:Pfarrarchiv Oberaußem
Bild 11:aus: Intelligenzblatt für den Kreis Bergheim und den Landkreis Cöln Nr. 33/1900
Bild 12:Bild aus der Dürbaumchronik (1912)

Fußnoten:

  1. Geburtsurkunde Nr. 1169/1819 der Gemeinde Köln ↩︎
  2. AEK, Sammlung Personalia, Kleruskartei ↩︎
  3. ebenda ↩︎
  4. Handbuch der Erzdiözese Köln 1860, S. 143 ↩︎
  5. ebenda ↩︎
  6. Paul Heusgen, Das Dekanat Zülpich, Zülpich 1958, S. 319 ↩︎
  7. Chronik der Pfarre Oberaußem von Theodor Richartz, Pfarrer in Oberaußem 1893. In den folgenden Fußnoten kurz „Chronik“ genannt, Pfarrarchiv Oberaußem 3, S. 40,1 ↩︎
  8. ebenda S. 17 ↩︎
  9. ebenda S. 40,1 ↩︎
  10. 100 Jahre Pfarrkirche St. Vinzentius in Oberaußem, von Christian Kämmerling, Oberaußem, S. 55 ↩︎
  11. AEK, GVA, Pfarre Oberaußem Nr. 2 – Bericht des Definitors ↩︎
  12. C. Simons, Ein Jahrtausend Heimaterde, Historische Wanderungen zwischen Erft u. Rhein, Overath 1925, S. 97 ↩︎
  13. Pfarrarchiv Oberaußem, Nr. 730 ↩︎
  14. Pfarrarchiv Oberaußem 2, Antwort aut Fragebogen bei der Visitation, für die Unterrichtsfächer: Kurt Diwell, Rheinische Geschichte Band 3, S. 473 (Düsseldorf 1979) ↩︎
  15. Bitte um Spenden fur die Sammlung in der Rheinprovinz 1869 ↩︎
  16. Aloysius Jakob Zorn, Der Architekt August Carl Lange, Dissertation der Rheinisch Westfälischen Technischen Hochschule Aachen 1980. Die Darstellung folgt der Dissertation von Zorn. ↩︎
  17. Heinz Braschoß u.a., Pfarrei und Pfarrkirche St. Laurentius in Bergheim-Büsdorf, Sonderveröffentlichung zum 100jährigen Kirchenjubilaum, Pulheim 1995, S. 74/75 ↩︎
  18. AEK, GVA, Pfarre Oberaußem 6 ↩︎
  19. Pfarrarchiv Oberaußem 3, Chronik ↩︎
  20. Chronik S. 20 ↩︎
  21. 100 Jahre Pfarrkirche St, Vinzentius in Oberaußem ohne Seitenangabe ↩︎
  22. ebenda S, 71 ↩︎
  23. Chronik S. 20 ↩︎
  24. Chronik S. 20, alle folgenden Angaben sind der Chronik entnommen. ↩︎
  25. Chronik S.25 ↩︎
  26. 100 Jahre Pfarrkirche St. Vinzentius OberauBem, S. 67. Vielleicht stammt die Darstellung aus dem „Intelligenzblatt für den Kreis Bergheim und den Kreis Cöln“, Der Jahrgang 1881 ist im Archiv des Erftkreises nicht vorhanden ↩︎
  27. Josef Dürbaum, Heimatkunde der Gemeinde Oberaußem, 1912 ↩︎
  28. AEK, Dekanatsakten Bergheim ↩︎
  29. Josef Dürbaum, Heimatkunde der Gemeinde Oberaußem 1912 ↩︎