Die alte Oberaußemer „Grass“-Kastanie steht zur Zeit leider nicht mehr in ihrer vollen Pracht. Wie kam es dazu? Was ist seither geschehen?

Mai 2012: Ein Anwohner der Straße Am Berg bemerkt eine Veränderung des Baumes. Die Äste der oberen Krone bilden keine Blätter mehr aus, scheinen wie abgestorben. Solche Beobachtungen wurden bereits seit 2005 teilweise von Oberaußemer Bürgern gesichtet. Über dem Winter 2011/2012 hat sich eine kleinere Rindenbeschädigung am Stamme stark vergrößert und einzelne Hauptwurzeln die vom Hauptstamm abgehen, scheinen teils mit Pilz befallen zu sein. Der Anwohner, der Mitglied des Stadtteilforums Oberuaßem ist, trägt seine Beobachtungen in einer Sitzung des Stadtteilforums vor. Das Stadtteilforum gibt seine Beobachtungen an die Stadt Bergheim weiter.

Juli 2012: Die Stadt Bergheim beauftragt einen Gutachter der die Kastanie untersuchen soll.

August 2012: Am 15.08.2012 liegt der Stadt Bergheim das beauftragte Gutachten vor. Im Gutachten wird vor Ästen gewarnt, die evt. herunterfallen könnten. Man entschließt sich augrund der Verkehrsicherheitspflicht, zur sofortigen Sperrung der Treppe, da diese unter der Kastanie verläuft und zu einem Seiteneingang des Friedhofes führt. 

Die Stadt Bergheim gibt eine Pressemitteilung als Reaktion auf das nun erstelle Gutachten raus „Gefahr durch kranke Kastanie – Der Aufgang zu Friedhof muss gesperrt werden“

Die ersten Presseartikel erscheinen zum Thema „Kranke Grass-Kastanie“

– Wahrzeichen von Oberaußem stirbt (Werbepost)

Am 28.08.2012 treffen sich Vertreter der Stadt Bergheim und des Stadtteilforums zu einer Besprechung in Sachen Kastanie. In dieser Sitzung wird erklärt „Die Kastanie ist krank und kaum noch zu retten. Die gesamte Krone sei von der Miniermotte befallen, so die Gutachter. Des weiteren seien im Bereich des Stammes Muster einer Infektion mit Bakterium Pseudomonas gefunden worden…Neben der kranken Kastanie besteht eine Verkehrs-sicherheitspflicht. Zur Zeit sei der Treppenaufgang und Bereiche unter der Kastanie gesperrt. Die Kastanie soll zunächst über den Zeitraum von einem Jahr beobachtet werden. Erforderliche Sofortmaßnahmen sind: Weiträumige Absperrung mit einem ausführlicherem Hinweis auf den Grund dieser Maßnahme. Rückschnitt der am stärksten betroffenen Äste. Rückschnitt von jungen Kastanien, die im näheren Bereich der Grasskastanie stehen. Seitens der Stadt Bergheim steht man allen Vorschlägen offen gegenüber, die zur Rettung der Kastanie beitragen könnten solange sie kostenneutral sind.“

Mitglieder des Stadtteilforums merken an, dass der Baum nach Gutachten nicht tot und eine Erholung nicht gänzlich ausgeschlossen sei.

Man vereinbart, dass die Stadt Bergheim einen Rückschnitt des vermeintlichen Totholzes, dass nicht mehr belaubt wird, ausschreibt und zusätzliche Bodenverbesserungsmaßnahmen durchführen möchte.

Ein vom Stadtteilforum zur Sitzung eingeladener Bürger, berichtet von einer Behandlung von kranken Bäumen mit sogenannten „Effektiven Mikroorganissmen“ So heißt es, dass es „gute Möglichkeiten und Erfolge im Kampf gegen das Absterben kranker Kastanien gibt. Insbesondere im süddeutschen Raum kämen diese Verfahren mit EM „effektive Mikroorganismen“ zur Anwendung. Er verwies auf entsprechende Aufsätze in den Fachzeitschriften. Er habe Bedenken, ob der Einsatz dieser Methode im vorliegenden Fall Sinn macht, weil die Bedingungen einfach zu schlecht sind. Die Hanglage auf der einen Seite und die Verdichtung der Oberfläche auf der zum Friedhof gelegenen Seite würden einer ausreichenden Versorgung mit EM im Wege stehen. Das Besprühen der Krone wäre ebenfalls problematisch. Der Hang und das weitere Umfeld müssten ebenfalls auf Ansteckungsmöglichkeiten (Infektionsdruck) untersucht und möglicherweise bereinigt oder zurückgeschnitten werden.“

„Nach lebhafter Diskussion einigten sich die Teilnehmer auf folgende Punkte:

  • Rückschnitt der befallenen Äste (Totholz) und das Kürzen der großen Äste durch die Stadt Bergheim.
  • Bodenverbesserungsmaßnahmen (Vitalisierung) durch die Stadt Bergheim.
  • Rücksprache mit dem Baumgutachter durch Herrn A. Beyerle, über weitere Maßnahmen.
  • Rückbau der Bänke durch das Stadtteilforum.
  • Kontaktaufnahme mit EM-Fachleuten
  • Bürgerinitiative zur Säuberung des Hanges unterhalb der Kastanie“

(Zitate aus Protokoll des Stadtteilforums Oberaußem vom Treffen der Sprecher der Arbeitskreise am 29.08.2012)

Am 30.08.2012 gibt die Stadt Bergheim eine Pressemitteilung raus „Kranke Kastanie wird Hilfe erhalten“

September 2012: Die Sitzbank unter der Kastanie wird vom Stadtteilforum vorerst abgebaut, um der Verkehrsicherheitspflicht und der Absprache mit der Stadt Bergheim nachzukommen.

Das Stadtteilforum erstellt einen Maßnahmenplan und unternimmt die ersten Schritte einer Behandlung mit effektiven Mikroorganissmen (EM) nach Rezept von EM-Berater „Hans Gugel – EM-Kaiserstuhl“. Der mit dieser Behandlung in süddeutschem Raum große Erfolge gefeiert hat.

Man beginnt die „Grass“-Kastanie mit EM, Ackerschachtelhalmtee und Ur-Gesteinsmehlen im äußeren Kronenbereich, wo sich die Feinwurzeln des Baumes befinden, zu Gießen. Zudem wird mit einem Handsprühgerät der Versuch gestartet den Riesen mit EM einzunebeln. Diese Maßnahmen werden alle 14 Tage bis in den Oktober wiederholt angewendet, bis die Tages-Temperaturen unter 10° sinken.

Zusätzlich wird ein gekaufter EM-Bokashi in Verbindung mit gesammelter Wurzel-Erde vom Spitzwegereich, die sogenannte Mykorrhiza-Pilze enthalten soll, zur Bodenverbesserung im Kronenbereich in den Boden ausgebracht, auch im noch sehr schwer zugänglichen Hang…

Gewinnung von Spitzwegerich-Mykorrhiza-Erde: Spitwegerich finden – Ausstechen – Ausklopfen der Erde aus dem Wurzelbereich – Spitzwegerich wieder einpflanzen!

Leider wurden über die Jahre, von wohl etwas verwirrten Zeitgenossen, in den Stamm mehrere dicke und lange Nägel eingeschlagen. Diese dienten wohl als Einstieghilfe zur privaten Hobby-Baumkletterei. Diese Nägel befanden sich rund um den Stamm verteilt, auch genau an den Rändern der Stammwunde, wo der jetzige Rindenschaden aufgetreten ist. Sie haben wohl Ihren Teil dazu beigetragen…Es wurden über 20 Nägel aus dem Baumstamm entfernt.

Ein großes Stück zusammenhängende Rinde wurde im Hang gefunden, da es nicht von alleine über das Geländer gesprungen sein kann, könnte es sein, dass dem Baum die angelöste Rinde abgerissen und in den Hang geworfen wurde…

Die daraus resultierende große Stammwunde wurde mit einem Gemisch aus Lehm, Sand, EM und Gesteinsmehlen geschlossen, sodass durch die Wunde keine Krankheitsergeger mehr in den Baum eindringen können.

Oktober 2012: Die von der Stadt Bergheim ausgeschriebene Rückschnittaktion wird durchgeführt. Dazu steigen Baumkletterer in die Baumkrone um die Äste zu begutachten und das „tote“ Holz heraus zu schneiden. Erfreulicherweise fällt die Menge an rausgeschnittenem Holz recht übersichtlich aus und die Baumkletterer gehen behutsam vor, sodass die Ästhetik des Baumes so wenig wie nötig eingeschränkt wird.

Dezember 2012: Am 01.12.2012 traf sich eine große Zahl von Mitgliedern des Stadtteilforums ab 9.00 Uhr um den Hang an der Kastanie zu roden. Dies war nötig um das Einsammeln der Kastanienblätter, in denen die Brut der Kastanienminiermotte überwintert, überhaupt erst zu ermöglichen. Leider war die Arbeit so umfangreich und die Zeit der meisten Helfer begrenzt, sodass an diesem Tage nur der Hang gerodet, aber nicht mehr die Blätter eingesammelt werden konnten. Auch wenn eine handvoll tapferer Helfer noch bis 17.00 Uhr bei Eisenkälte durchhielt.

Ergebnis:

Das Kastanienlaub wurde dann noch im Dezember 2012 in kleineren Gruppen teils aus dem Hang geholt und durch die Stadt Bergheim entsorgt, sodass im Frühjahr 2013 keine Motten im Bereich um die Kastanie aus dem Laub schlüpfen können und den Baum wieder befallen.

Man muss wissen aus 1kg Laub schlüpfen bis zu 4500 Motten, die weiblichen Motten legen bis zu 1000 Eier auf den Blättern der Kastanien ab. Die Larven schlüpfen dann auf den Blättern und fressen sich zwischen die Blattschichten (Minieren). Das Kastanienlaub erhält braune Stellen, die keine Photosyntese mehr zulassen, folglich wird der Baum geschwächt und anfälliger gegen Krankheiten. Die Larven werden dann wieder zu Motten, das Spiel beginnt von vorne und das bis zu 4 Generationen im Jahr! Daher ist der wichtigste Punkt, das Laub der Kastanien im Herbst einzusammeln und zu entsorgen – entweder zu verbrennen oder heiß zu kompostiern. So werden alle Generationen der Motte im Jahr darauf dezimiert. Da die kleinen (2-3mm) Motten nicht sehr flugfähig sind und nicht weit fliegen können, müssen diese im nächsten Jahr erstmal von einem anderen befallen Baum mit dem Wind angeweht werden.

Befallenes Kastanienlaub unserer „Grass“-Kastanie im Oktober 2012:

Das war das kurze Pflege-Jahr 2012, wir haben spät begonnen, aber doch einiges geschafft und so blicken wir zuversichtlich in die Zukunft.

Text und Fotos: Dominic Unger